Gemeinwohlgedanke im Bankwesen
In vielen Organisationen wird mittlerweile neben der herkömmlichen Bilanz auch eine Gemeinwohlbilanz erstellt. In Basel gibt es eine Bank, die darüber hinausgeht und im Bereich des Geldwesens ganz andere Ansätze fährt. Sie denkt Geld neu und führt es auf den ursprünglichen Sinn und Zweck zurück und definiert die Aufgabe von Banken etwas anders. Sie sieht ihre Rolle mehr als Vermittler und sie leben den anthroposophischen Gedanken.
Die Generation unserer Redaktions- Mitglieder ist damit aufgewachsen, dass man durch Aktien-, Immobilien-Spekulationen oder ähnliches sein Geld vermehren kann. Das heißt, dass Geldvermehrung ohne eine eigene Leistung stattfindet. Dieses heute gängige Denk-Modell ist für viele so selbstverständlich, dass man kaum darüber nachdenkt, dass es auch anders gehen könnte und dass Geld auch anders, vielleicht sogar mehr zum Wohle aller eingesetzt werden könnte.
Diese Bank in Basel, die einen ganz anderen Weg verfolgt, ist die „Freie Gemeinschaftsbank“, ein kleines Bankhaus, das 1984 in Basel gegründet wurde. Die Vision des Gründungsteams war es, dass sie den Umgang mit Geld neu denken und diesen Gedanken auch im Bankenwesen umsetzen wollten. Sie wollten den Dreigliederungsgedanken von Rudolf Steiner, der bereits 1919 darüber sprach, wofür Banken da sind, in die Realität bringen.
Die Gründer und Vordenker für diese Bank in der Schweiz waren engverbunden mit der damals schon gegründetenGLS Bank in Bochum, es waren ebenfalls anthroposophisch interessierte und denkende Menschen. Wer sich mit der Anthroposophie beschäftigt, erkennt den Menschen völlig anders und betrachtet damit den Faktor Arbeit und somit auch den Umgang mit dem Geld aus einem anderen Blickwinkel. Geld ist kein Spekulationsgut, sondern soll den Menschen und Unternehmen dazu dienen, unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen oder Ideen zu realisieren, die sinnvoll und wertvoll für den Einzelnen und die Allgemeinheit sind. Rudolf Steiner sagte dazu: „… Der Bankier soll also weniger den Charakter des Leihers als vielmehr den des in der Sache drinnen stehenden Kaufmanns haben, der mit gesundem Sinne die Tragweite einer zu finanzierenden Operation ermessen und mit Wirklichkeitssinn die Einrichtungen zu ihrer Ausführung treffen kann …“
Diesen Grundsatz hat sich die „Freie Gemeinschaftsbank Basel“ in ihren Statuten zum Ziel gesetzt: „Unsere zentrale Aufgabe sehen wir darin, zwischen Menschen zu vermitteln, die Geld zur Verfügung stellen, und Menschen, die Gelder für das Erreichen ihrer Ziele benötigen. Geld soll dabei der Entwicklung des Menschen dienen. Jegliche Spekulation an den Börsen- oder Finanzmärkten ist bei uns per Statuten ausgeschlossen.“ Die Bank solle dem Menschen dienen und nicht der Geldvermehrung. Die Bankangestellten sollen also mehr als Vermittler zwischen Geldgeber und Geldempfänger fungieren. Ein ganz entscheidender Punkt ist dabei die Betrachtung und Bedeutung von Geld:
Mit dem Gedankengut der Dreigliederung des Geldes machten sich die Gründer der „Freien Gemeinschaftsbank Basel“ also auf den Weg und dachten das Bankwesen neu. Dabei war ihnen wichtig, dass sie zu keinem Zeitpunkt gegen das herrschende System waren und sind, aber sie aus ihrer ethischen Verpflichtung heraus das Geld anders betrachten wollten und Menschen, die dies ähnlich sehen, eine Plattform bieten.
Die Rentabilität der Bank sollte in einer wachsenden Vertrauensgemeinschaft ihren Ausdruck finden. Entscheidend dabei ist, nicht nur, dass Geldbewegungen stattfinden, sondern die Art und Weise, wie sie zustande kommen.
„Wie“ die Bank „mit den Menschen unterwegs“ ist, ist der zentrale Aspekt und dies führt dann unweigerlich zu einem anderen Verleihen von Geld und zu ganz anderen Formen von Geldanlagen.
Die Freie Gemeinschaftsbank
Uwe Werner
Zbinden Verlag,
ISBN 978-3-85989-452-5
Die Dreigliederung des Geldes
Kaufgeld befindet sich im Umlauf und wird für den täglichen Bedarf verwendet.
Beim Leihgeld müssen wir uns von unseren bisherigen Vorstellungen freimachen und damit beginnen neu zu denken. Denn beim Leihen ist das Entscheidende, dass mit dem Geld etwas geschaffen, etwas finanziert werden kann, wie Unternehmens-Gründungen, Betriebs-Einrichtungen, Produkte und Dienstleistungen oder Projekt-Entwicklungen. Je nachdem, was mit diesem Geld ermöglicht wird, schafft es einen ganz spezifischen Wert. Neues kann in die Welt kommen, was vorher nicht da war, das für eine sinnvolle und positive Weiterentwicklung entscheidend sein kann. Beispielsweise sinnvolle und wertorientierte pädagogische, medizinische, landwirtschaftliche, technische oder künstlerische Projekte. Bei der Qualität des Leihgeldes geht es nicht um Geldvermehrung und Geldanhäufung, sondern allein darum, dass Leihgeld etwas ermöglicht. Ohne Kredite wäre ein Wirtschaften und eine gesellschaftliche Entwicklung nicht möglich. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Mensch mit Ideen und Fähigkeiten Geld benötigt, um etwas aufzubauen, das
er aber unter Umständen in dem Moment nicht zur Verfügung hat. Wenn er darauf warten müsste, seine Impulse umzusetzen, bis er genügend Geld beisammen hätte, gäbe es keinen Fortschritt. Nun gibt es aber auch Menschen, die ihre Fähigkeiten oder Ideen nicht direkt umsetzen, dafür mit dem Geld, das sie übrig haben, etwas ermöglichen wollen. Dieses Geld kann dann vom Besitzer zu jemand anderem fließen, dorthin, wo es gebraucht wird – ein gesunder Geldfluss, der Zukunft ermöglicht. Man kann sagen, dass „Spargeld“ eigentlich totes Geld ist und dass es durch den Kredit wieder zum Leben erweckt wird, natürlich nur, wenn das Geld dann dem Leben dient und nicht der Anhäufung.
Schenkungsgeld ist wieder selbsterklärend, Vermögen wird Menschen oder Unternehmen überlassen, geschenkt, um im Ideal es sinnstiftend für das Gemeinwohl einzusetzen.
Die freie Gemeinschaftsbank hat die wesentlichen Aspekte in ihren Statuten
festgelegt:
- Wir fördern Menschen, Initiativen und Unternehmen, die sich in den Dienst von Mensch und Umwelt stellen, mit zweckdienlichen bekannten und noch zu entwickelnden Bank- und Finanzinstrumenten.
- Wir begleiten Menschen in ihrem Bemühen, den Umgang mit Geld bewusst und in eigener Verantwortung zu gestalten und Geldprozesse zu durch schauen.
Wenn man, wie die „Freie Gemeinschaftsbank Basel“ in seiner Vision den anthroposophischen Leitgedanken folgen möchte, hat dies Auswirkungen auf alle Geschäftsbereiche innerhalb einer Bank. Es findet nämlich
darin Berücksichtigung, welche Dinge finanziert werden. Reine Spekulationen zur Geldvermehrung sind in den Statuten dieser Bank ausgeschlossen. Auch gibt es keine feste Gebührenordnung, sondern man möchte auch hier die Geldgeber und Kontoinhaber dazu anregen, über die Wertigkeit der Bank-Dienstleistung nachzudenken und den Betrag selbst festzulegen.
Das Gründungsteam setzte sich intensiv mit solchen Fragestellungen auseinander. Das notwendige Gründungskapital stellte die GLS Treuhand zur Verfügung ebenso wie die Gemeinnützige Kredit-Garantiegenossenschaft kurz (GKG). Motiviert durch diese beiden Zusagen wurde die Bank am 29. April 1984 gegründet. Da das Gedankengut damals wie heute etwas anders ist, mussten sämtliche Formulare neu gestaltet werden und konnten nicht von anderen Banken übernommen werden. Zwei junge Menschen, die aus dem Bankwesen kamen, haben diese operative Arbeit mitBegeisterung erfolgreich gemeistert. Das Gedankengut der Anthroposophie ist dazu geeignet, eine derart neue und zukunftsweisende Idee innerhalb einer Bank erfolgreich zu realisieren, mit dem Fokus auf dem Menschen, der hinter seiner Idee steht zu unterstützen und nicht zur reinen Gewinnoptimierung.
Die Bank existiert im Herzen von Basel und ist mittlerweile auf 29 Mitarbeitende angewachsen. Sie hat ihren Fokus konsequent beibehalten und wächst kontinuierlich in kleinen Schritten. Mit dem Umzug in neue Geschäftsräume fand auch die Übergabe an die neue Führungsriege statt und die Bank wurde sichtbarer. Vormals war sie im Hinterhaus zu finden, da galt es aber auch noch mehr sich selbst zu finden und die Produkte und Projekte immer besser auf die Grundidee auszurichten. Jeder, der mit seinem Vermögen der Gemeinschaft etwas zurückgeben möchte, kann sich Projekte der „Freien Gemeinschaftsbank Basel“ ansehen, die aktuell gefördert werden.
Wer die ganze Entwicklungs-Geschichte der Bank nachlesen möchte, dem empfehlen wir das Buch. Die Gründer und heutigen Geschäftsführer sind nicht ausschließlich anthroposophisch orientiert, sondern sind offen für neue Inspirationen. So fließen heute zum Beispiel auch Ideen aus anderen Strömungen ein, wie dem werteorientierten Banking (Social Banking) und dem Modell der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales). Die Bank ist heute als Genossenschaft eingetragen und arbeitet nicht gewinnorientiert. (tl)
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