Bio ist nicht gleich Bio
Vertrauen ist gut, Kenntnisse sind besser
Jahr für Jahr wächst die Zahl der Menschen, die sich für Bio-Lebensmittel entscheiden. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von bunten Siegeln und mehrdeutigen Begriffen, die es den Verbrauchern jedoch erschweren, den Überblick zu behalten.
Der aktuelle Ernährungsreport der Bundesregierung zeigt auf, dass sich viele Käufer immer noch von der bunten Reklame auf den Verpackungen leiten lassen. Diese suggerieren eine heile, gesunde Welt mit blühenden Wiesen und glücklichen Tieren, verleiten aber auch dazu, sich nicht näher über das Produkt zu informieren. Wir möchten Ihnen einen Einblick geben, damit sich der Nebel um die Bio-Siegel etwas lichtet. In diesem Artikel werden nur die Biolabels von Lebensmitteln untersucht, nicht die von anderen Handelsgütern. Auch hier gilt aber das Gleiche: Genau hinschauen und sich informieren. Auch wenn Bio draufsteht, gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Siegeln, wie der nachfolgenden Aufstellung entnommen werden kann. Auch viele Lebensmitteldiscounter schwimmen auf der Bio-Welle mit und bieten eine eigene Biolinie an. Wieviel Bio steckt dahinter?
Das EU-Bio-Siegel
Seit 2010 gibt es ein einheitliches EU-Bio-Siegel, das in Form eines grünen Blattes dargestellt wird. Dieses definiert den Mindeststandard für den ökologischen Landbau innerhalb der EU. Die Begriffe „Bio“ und „Öko“ sind seit 1993 gesetzlich geschützt. Wer mit ihnen wirbt, muss die Voraussetzungen dafür erfüllen – nämlich die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung. Diese schreibt unter anderem vor: den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel, eine tiergerechte Haltung mit Auslaufmöglichkeiten, ein Verbot von Gentechnik und eine geringe Verwendung von Zusatzstoffen. Außerdem müssen Produktzutaten zu 95 Prozent aus Öko-Betrieben stammen. Auch Mindeststandards bei der Tierhaltung müssen eingehalten werden, so sind etwa Tageslicht und Zugang zu einer Außenfläche verpflichtend. Die Tiere haben mehr Platz als in konventioneller Haltung.
Lebensmittel, die diese Kriterien erfüllen, sind leicht an dem europaweit einheitlichen Bio-Logo oder dem deutschen Bio-Siegel zu erkennen, das dem EU-Siegel gleichgestellt ist. Hersteller, die ein solches Siegel benutzen, werden jährlich kontrolliert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Verbände, die schon wesentlich länger auf dem Markt sind und sich strengeren Richtlinien unterwerfen. Das biodynamische Siegel des Demeter-Verbandes gibt es zum Beispiel seit fast hundert Jahren. Es wurde 1924 ins Leben gerufen und gilt bis heute als eines der strengsten Bio-Siegel.
Die deutschsprachigen Bioverbände haben eigene Kriterien entwickelt, welche Produkte sich mit ihrem Logo schmücken dürfen. Ihre Vorgaben gehen deutlich über die Standards des EU-Bio-Siegels hinaus:
• Die Anbauverbände verlangen unter anderem, dass der Betrieb komplett ökologisch arbeitet; einzelne Betriebszweige, wie etwa die Tierhaltung, können nicht ausgenommen werden.
• Die Bioverbände in Deutschland erlauben wesentlich weniger Tiere je Hektar als das EU-Siegel.
• Bei den Anbauverbänden dürfen konventionelle Futtermittel gar nicht oder nur in einem sehr begrenzten Anteil zugefüttert werden. Die EU-Verordnung erlaubt hier größere Anteile.
Einige Bio-Siegel haben wir Ihnen in einer Tabelle gegenübergestellt, hieraus ist ersichtlich, wie groß die Unterschiede sind. Darüber hinaus können Sie sich bei den jeweiligen Verbänden über deren geltende Standards informieren. Auch gibt es in verschiedenen Ländern noch spezielle Bio-Siegel, wie etwa in Österreich das AMA-Siegel und in der Schweiz das Bio Suisse Siegel.
Eigenmarken
Viele Handelskonzerne bieten eigene Bio-Produkte an, für diese Eigenmarken gelten die Mindeststandards der EU-Bio-Verordnung. Viele Discounter werben bei ihren Produkten auch mit Regionalität, wobei Regionalität bei Lebensmittelkonzernen häufig anders definiert ist. Denn Lebensmittelkonzerne agieren in großen Regionen, etwa in ganz Deutschland, da bekommt der Begriff der Regionalität eine ganz andere Dimension, als beispielsweise der normale Verbraucher vor Ort in Süddeutschland in einem kleinen Ort dann meint.
Über die eigenen Biomarken der Handelsketten hinaus gibt es auch Kooperationen mit Produzenten, die sich auf Grund der Verbandszugehörigkeit strengeren Richtlinien unterwerfen. Diese Produkte sind neben dem Siegel der Eigenmarke des Handelsbetriebes zusätzlich mit dem Bio-Siegel des jeweiligen Verbandes gekennzeichnet.
So kooperiert EDEKA unter anderem mit Naturland, Demeter und Bioland. REWE mit Naturland und Spar unter anderem mit Demeter. Migros, der stark in der Schweiz vertreten ist, kooperiert mit dem Schweizer Demeter-Verband.
Kontrollierter Anbau ist das Bio?
Lebensmittel aus „kontrolliertem Anbau“: Das klingt gut und beruhigt das Gewissen. Doch wirklich pestizidfreie Lebensmittel hat man damit nicht gekauft. Auch „naturnah“ oder „integrierter Pflanzenanbau“ sind ähnliche Bezeichnungen, die zum Kaufen animieren sollen, jedoch keinerlei ökologischen Nutzen haben.
Der Grund, warum solche irreführenden Bezeichnungen so beliebt sind, ist einfach: Diese Begriffe darf jeder verwenden, sie unterliegen keinen gesetzlichen Festlegungen. Wie genau der versprochene „kontrollierte Anbau“ also funktioniert, entscheidet der Hersteller ganz allein. Genauso ist es beim „integrierten Pflanzenanbau“, einer Formulierung, die lediglich eine Selbstverpflichtung zum Pflanzenschutz suggeriert. Eine unabhängige Kontrolle ist bei solchen Bezeichnungen nicht vorgeschrieben.
Gentechnik – ja oder nein?
Verbraucher, die sich vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln schützen wollen, haben es nicht leicht. Auch hier sind sie ganz auf eine Kennzeichnung angewiesen.
Denn leider schreibt das Europäische Recht zwar grundsätzlich eine Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln vor, doch gibt es hier einige Ausnahmeregelungen. Nur bei pflanzlichen Lebensmitteln dürfen keinerlei Spuren von Gentechnik nachweisbar sein. Bei tierischen Erzeugnissen wie Eiern, Milch oder Fleisch ist das anders: Hier darf gentechnisch verändertes Futter bis zu einem Anteil von 0,9 Prozent enthalten sein – ohne, dass eine Kennzeichnung erfolgen muss. Oder es gibt die Ausnahme, dass Gen-Futter lediglich kurz vor der Schlachtung nicht mehr verfüttert werden darf. Diese Lücken in der Kennzeichnungspflicht schließt das deutsche „Ohne Gentechnik“-Siegel. Lebensmittelhersteller können ihre Produkte mit diesem Hinweis versehen. Es bedeutet, dass Tiere den größten Teil ihres Lebens keine Gentech-Pflanzen im Trog hatten. Somit können Verbraucher auch bei tierischen Produkten wählen, ob sie Gentechnik im Futtertrog akzeptieren oder nicht. Diese Kennzeichnung ist bisher freiwillig und auch der Begriff „den größten Teil ihres Lebens“ ist nicht klar definiert.
Wie sieht es mit der Bezeichnung „Regionaler Anbau“ aus?
Dieser Kennzeichnung können die Verbraucher nicht immer vertrauen, denn sie ist oft ungenau: Wo fängt die Region an, wo hört sie auf? Für einige Hersteller ist Ostdeutschland eine Region, für andere gleich die ganze Bundesrepublik. Eine einheitliche Regelung für die Bezeichnung „Regionaler Anbau“ gibt es nicht. Sie wäre auch schwer, da Lebensmittelinhaltsstoffe mitberücksichtigt werden müssten die nicht immer aus der Region stammen können. Deshalb etablierten Unternehmen und Verbände aus dem Lebensmittelbereich 2012 ein Logo, das die Herkunft des Produkts etwas detaillierter erklären soll. Das blau-weiße „Regionalfenster“ soll Auskunft darüber geben, wo das Produkt herkommt, beziehungsweise wo es verarbeitet wurde und welche regionalen Zutaten es enthält.
Problematisch ist jedoch, dass Produkte mit diesem „Regionalfenster“ auch zum Beispiel das ganze Bundesgebiet als „Region“ klassifizieren. Manchmal ist auch nur der Firmensitz oder die Rezeptur regional.
Wer wirklich regionale Erzeugnisse kaufen will, sollte die heimischen Wochenmärkte oder die Bauern vor Ort aufsuchen. Eine weitere gute Alternative zu den herkömmlichen Produkten in den Supermarktketten bieten auch die sogenannten in Solawi’s (solidarische Landwirtschaft). In einer „Solawi“ kann beim Anbau mitgeholfen werden, so wird dann auch der wahre Wert eines Lebensmittels erkannt und es schmeckt um ein Vielfaches besser. Der Landwirt kann für sich eine Kalkulation über die Abnahmemenge erstellen und der Endverbraucher kann sehen, wie seine Produkte bis zur Ernte wachsen.
Manch ein regionaler Bauer schmückt sich zwar nicht mit einem Siegel, arbeitet aber genau nach den entsprechenden Richtlinien, denn diese Zertifizierungen kosten Geld und Zeit. Deshalb gilt es, bei Interesse mit diesen landwirtschaftlichen Betrieben in Kontakt zu treten, denn unsere Erfahrung hat gezeigt, dass hier die Bereitschaft und Offenheit besteht, neue Wege zu gehen.
Wie wir gesehen haben, ist der Begriff „Bio“ zwar geschützt, aber jedes Siegel lässt mehr oder weniger Pestizide und Schadstoffe zu. Das EU-Bio-Siegel lässt dabei den größten Spielraum. Wer sicher gehen will, kauft frische Produkte regional und immer weniger in den Supermarktketten. (tl)
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