Ein Unternehmen, das neue Wege geht
elobau GmbH & Co. KG mit Sitz im Allgäu ist ein Unternehmen, das sich jetzt selbst –
besser gesagt, der neu gegründeten gemeinnützigen elobau-Stiftung – gehört. Michael Hetzer, der bisherige Inhaber, suchte eine nachhaltige Nachfolgelösung. Ein Ziel davon ist, dass das Unternehmen seit vielen Jahren seine Organisationsstruktur zu mehr Eigenverantwortung der Mitarbeiter weiterentwickelt. Und so hatte ich die Gelegenheit, mit ihm und seinen beiden Kollegen, Herrn Rüdiger Köhler (Geschäftsführer) und Herrn Norbert Christlbauer (Personalleiter), zu sprechen, um mir persönlich ein Bild vom Unternehmen sowie den handelnden Persönlichkeiten zu machen. Aufgrund der Tatsache, dass bei elobau so vieles anders gemacht wird als bei anderen Unternehmen, habe ich mich in diesem Artikel auf das Thema „Loslassen“ und die daraus resultierenden Herausforderungen, die damit verbunden sind, fokussiert. (tl)
Das Unternehmen
Gegründet wurde elobau 1972 vom Vater von Michael Hetzer. elobau produziert heute mit knapp 1.000 Mitarbeitenden Lösungen in den Bereichen der Bedienelemente, Maschinensicherheit, Füllstandsmessung und Sensorik. Es herrscht eine hohe Fertigungstiefe. Produziert und montiert wird in Deutschland. Darüber hinaus ist das Unternehmen seit 2010 klimaneutral und gilt damit als Vorreiter. Im Hause wird die gesamte Wertschöpfungskette vom Zulieferer bis hin zur Auslieferung konsequent betrachtet. Ebenso berichtet elobau nach dem Standard der Gemeinwohl-Ökonomie. Trotz allem ist das Unternehmen wettbewerbsfähig und sehr erfolgreich – was ist das Geheimnis?
1992 stieg Michael Hetzer in den Betrieb ein und bis zum Tod seines Vaters im Jahre 2003 führten sie das Unternehmen gemeinsam. Die Grundzüge der heutigen Unternehmenskultur legte sein Vater bereits frühzeitig – maßgeblich geprägt und weiterentwickelt hat sie dann jedoch Michael Hetzer. Er sieht sich als Sparringspartner und Begleiter seiner Mitarbeitenden. Für ihn sind die Mitarbeitenden das wertvollste Gut, das ein Unternehmen hat. Michael Hetzer sagt: „Der wesentliche Generator des Wertes eines Unternehmens sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ohne Mitarbeitende könnten wir keine Produkte herstellen, denn die Maschinen könnten nicht bedient werden. Jeder ist für eine gute und zuverlässige Qualität in seiner Position wichtig.“ Dieses Selbstverständnis lebt spürbar in der gesamten Unternehmung.
Für Michael Hetzer sind Vertrauen und Selbstverantwortung keine Schlagwörter, sondern gelebte Kultur. Die Hierarchien sind flach und ganz auf Verantwortung der Mitarbeitenden und Teams ausgelegt. Die Struktur und das Organigramm dienen mehr als Orientierung. Die Führungskräfte führen nicht über Macht und Statussymbole, sondern fordern und fördern die Mitarbeitenden. Entscheidungen und Entscheidungsvorschläge werden von den verantwortlichen Teams getroffen und mehrheitlich beschlossen.
Da kann es schon mal passieren, dass der Vorschlag aus der Geschäftsführung vom Team abgelehnt wird und die Team-Idee als sinnvoller weiterverfolgt wird. Auf der Ebene der Geschäftsführung gilt es dann, diese Entscheidung voll und ganz mitzutragen und auch dahinter zu stehen. Ein manchmal kein so leichter Prozess, wie Herr Hetzer und Herr Christlbauer ehrlich gestehen. „Ein Ziel für die Zukunft sei es, dass die Geschäftsführung nahezu ausschließlich an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens arbeite und nicht mehr als Eskalationsstufe notwendig sei.“
„Der wesentliche Generator des Wertes eines Unternehmens sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ohne Mitarbeitende könnten wir keine Produkte herstellen, denn die Maschinen könnten nicht bedient werden. Jeder ist für eine gute und zuverlässige Qualität in seiner Position wichtig.“
Ort der offenen Kommunikation: Das Esszimmer (Kantine) bei elobau
Stiftungsgründung
Die gelebte Unternehmenskultur macht dann auch eine Entscheidung leicht, die Herr Hetzer bereits 2010 mit gerade mal 43 Jahren trifft und 2016 dann final umsetzt: Er überschreibt das Unternehmen „an sich selbst“ in Form von einem Zwei-Stiftungs-Modell. Zunächst wurde mit einem Ein-Stiftungs-Modell mit einer gemeinnützigen Stiftung gestartet. Da es aber in der Form keine Genehmigung erhielt, wurde eine weitere Stiftung gegründet (siehe untenstehende Grafik). Mittlerweile ist Herr Hetzer mit diesem Modell sehr zufrieden und er würde es jederzeit wieder so machen, wie er betont, da dieses Zwei-Stiftungs-Modell eine klare Trennung sei und somit auch klare Kompetenzen der jeweiligen Stiftung möglich mache. Die Gemeinnützigkeit braucht ganz andere fachliche Qualifikationen als die Organisation.
Entscheidungsgründe Ausgelöst wurde der frühzeitige Übergabeprozess aus verschiedenen Gründen. Erstens: Es sollte eine nachhaltige Nachfolgelösung gefunden werden. Das Unternehmen soll nicht verkauft werden können. Es soll eine klare Regelung darüber bestehen, dass nicht durch mögliche Erbstreitigkeiten das Unternehmen geteilt werden muss. Ein weiterer Aspekt war, dass die Mitarbeitenden im Falle eines plötzlichen Todes oder Arbeitsunfähigkeit von Herrn Hetzer weiterhin die Sicherheit auf ihren Arbeitsplatz haben. Zunächst hatte Herr Hetzer angedacht, das Stiftungskonstrukt im Testament festzuschreiben, dann sagte aber sein damals 8-jähriger Sohn zu seinem Vater:
„Wenn mein älterer Bruder das Unternehmen nicht übernimmt, dann muss ich es tun, weil es doch ein Familienunternehmen ist – oder?“
Dieser maßgebliche Satz hat Michael Hetzer dazu veranlasst, bereits 2010 in die Umsetzung der angedachten Lösung zu gehen. Der ganze Prozess hat sich über sechs Jahre hingezogen.
2016 war dann endlich alles in trockenen Tüchern und der Familienbetrieb in ein Zwei-Stiftungs-Modell überführt.
In einem Interview bei arte sagte er sinngemäß Folgendes:
„Nicht ich habe das Unternehmen zu dem gemacht was es heute ist, sondern es waren und sind die Menschen – jeder Einzelne. Ich hatte nur das Glück, in eine Unternehmerfamilie hineingeboren worden zu sein und deshalb wollte ich es auf sichere Beine stellen, unabhängig von der Familie und mir“.
„Nicht ich habe das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist, sondern, es waren und sind die Menschen – jeder Einzelne. Ich hatte nur das Glück, in eine Unternehmerfamilie hineingeboren zu sein und deshalb wollte ich es auf sichere Beine stellen, unabhängig von der Familie und mir.“
Dieser maßgebliche Satz hat Michael Hetzer dazu veranlasst, bereits 2010 in die Umsetzung der angedachten Lösung zu gehen. Der ganze Prozess hat sich über sechs Jahre hingezogen.
2016 war dann endlich alles in trockenen Tüchern und der Familienbetrieb in ein Zwei-Stiftungs-Modell überführt.
In einem Interview bei arte sagte er sinngemäß Folgendes:
„Nicht ich habe das Unternehmen zu dem gemacht was es heute ist, sondern es waren und sind die Menschen – jeder Einzelne. Ich hatte nur das Glück, in eine Unternehmerfamilie hineingeboren worden zu sein und deshalb wollte ich es auf sichere Beine stellen, unabhängig von der Familie und mir“.
Herr Hetzer blieb weiterhin als Geschäftsführer in der Unternehmung und hat sich bereits 2014 mit Herrn Dr. Thilo Ittner als weiteren Geschäftsführer für den Bereich Technik und Logistik verstärkt. 2018 kam dann Herr Rüdiger Köhler für den Bereich Vertrieb mit an Bord. Zukünftig wird er auch den Bereich Finanzen und Personal mitverantworten. Auch im Vertrieb wurde neues Gedankengut eingeführt: Seit einiger Zeit gibt es nach einer 2-jährigen Vorbereitungszeit keine Provisionen mehr für die Außendienstmitarbeiter.
Auch fehlen die klassischen „Key-Performance-Indikatoren“ als Vorgaben. Stattdessen soll eine Stärkung auf die Beziehungsarbeit zu den Kunden im Vordergrund stehen. Die Vertriebs-Mannschaft steckt sich dafür selbst Ziele. Nicht allen fällt diese Veränderung des Denkens und Handelns leicht.
v.l.n.r. Michael Hetzer, Rüdiger Köhler, Dr. Thilo Illner
Die Personalarbeit
Mit Blick auf den möglichen Ausstieg von Michael Hetzer kam bereits Herr Köhler an Bord, um das Führungsteam zu verstärken. Diese Personalbesetzung bedurfte jedoch einiger Durchläufe, bis mit Herrn Köhler eine Person gefunden worden war, die mit der gelebten Kultur des Unternehmens harmonierte.
Für Herrn Christlbauer, den Personalleiter, sind folgende Eigenschaften essentiell:
„Für solch eine Kultur braucht es tiefergehende Führungsqualitäten. Es braucht authentische Führungspersönlichkeiten mit viel Empathie, persönlicher Reife und Menschlichkeit sowie ein klares Werteverständnis. Das Wesen der Menschen erkennen zu können und nicht nur die Zahlen, Daten und Fakten in den Vordergrund zu stellen, ist wesentlich. Es gilt im Alltag den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und gleichzeitig ein wirtschaftlich zukunftsfähiges Unternehmen zu führen. Manchmal sieht man das halt erst beim zweiten Blick.“
Gestaltung der Personalarbeit
In der Personalweiterentwicklung sind Selbstreflexion und ein Werteverständnis große Bausteine. Führungskräfte in einer solchen Unternehmenskultur dürfen erstmal mehr über sich selber erfahren, damit eine Kultur, die auf Vertrauen und echter Wertschätzung basiert, bestehen kann.
Da dieser eigene Reflexionsprozess in unserer heutigen Gesellschaft alles andere als üblich ist, gibt es auch hier ab und an Widerstände. Deshalb wird großer Wert auf Selbsterkenntnis gelegt, damit möglichst viele die Notwendigkeit dieser Weiterentwicklung erkennen.
Aus Selbstreflexion entsteht Selbsterkenntnis und daraus Selbstbewusstsein sowie die Selbstsicherheit, die nächsten Umsetzungsschritte zu vollziehen. Dieser Prozess wiederholt sich fortlaufend. Selbstverständlich fließt in die Selbsterfahrung auch Theorie mit ein. Denn die braucht es natürlich, damit daraus fundierte Erkenntnisse entstehen können. Klar ist aber auch, dass dieser Weg nicht für jeden Menschen geeignet ist und man sich so auch von Menschen trennen muss. Nicht
jeder passt in eine solche Kultur, beziehungsweise fühlt sich dort wohl. Denn diese Kultur bietet wenig Raum für persönliche Profilierungsneurosen. Das WIR steht im Vordergrund. Manch einer mag zu Beginn begeistert sein, aber das Leben dieser Kultur ist dann doch viel persönliche Entwicklungsarbeit. Nicht jeder ist dazu bereit.
Diese Kultur braucht Mitarbeitende und keine reinen Arbeitnehmende. Bei der Personalauswahl zukünftiger Mitarbeitender entscheidet das Team mit. Natürlich hat die Geschäftsführung eine Vetostimme. Wenn aber aus dem Team heraus mehrheitlich eine andere Wahl getroffen wird, heißt dies, auch hier die Entscheidung mitzutragen. Die Personalentwicklungsarbeit und alle diesbezüglichen Entscheidungen werden mit den Mitarbeitenden besprochen, denn elobau hat und braucht bis heute keinen Betriebsrat. Dies ist für die Mitarbeitenden bis heute kein Problem, denn sie fühlen sich trotzdem gut vertreten und auch mit ihren persönlichen Anliegen gehört.
Aufgrund der anwachsenden Unternehmensgröße wird es zukünftig statt eines Betriebsrats sogenannte Mitarbeiterzirkel geben. Persönliche Gespräche mit den Einzelnen sind in der bisherigen Form zeitlich nicht mehr sinnvoll. Dies ist gerade am Entstehen.
Der nächste Entwicklungsschritt
Zu Beginn des Jahres 2021 hat sich Michael Hetzer ganz aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, um sich verschiedenen Projekten und potenziell neuen Geschäftsfeldern für elobau zu widmen. Außerdem verantwortet er nach wie vor den Bereich Nachhaltigkeit und die vier Ausgründungen.
„Diese Veränderung kam für manche Mitarbeiter im Unternehmen plötzlich“, wie Herr Christlbauer anmerkte. Für einige fehlt die Leitfigur – obwohl er noch da ist, aber er wirkt auf anderer Ebene. Er ist eben nicht mehr im operativen Geschäft und damit auch nicht mehr so präsent in der Organisation. Das hat ganz unbewusst Auswirkungen auf die Organisation. (Anmerkung: In einem Podcast stelle ich Zusammenhänge bei solchen Entwicklungsschritten vor).
Jetzt darf das von der Führungsmannschaft in all den Jahren Gelernte selbständig vorgelebt und gemeinsam weiterentwickelt werden.
Im ersten Schritt verschafft sich das Führungsteam ein einheitliches Verständnis über den Begriff „new work“. Jeder der Beteiligten hat ein eigenes Bild bei den Worten, das muss jetzt erst synchronisiert werden, damit alle in eine gemeinsame Richtung gehen können.
Gerade diese Veränderung ist häufig ein sehr sensibler Prozess, denn die von vielen so wahrgenommene „Leitfigur – der Prägende der Kultur“ tritt einen Schritt beiseite und macht Raum für die Nachfolgenden. Neues darf auf Basis des Alten entstehen. Die Mitarbeitenden dürfen diesen Raum jetzt füllen und den Prozess der Weiterentwicklung weitergestalten. Wir wünschen dem gesamten elobau-Team viel Erfolg bei dem nächsten Wachstumsschritt und sagen herzlichen Dank für das offene und inspirierende Gespräch.
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