Mach es einfach!
Kai-Uwe Pook (54) schaffte während des Pandemie-Jahres 2020 als Unternehmens- und Personalberater den Sprung in die Selbständigkeit. Ein Schritt, der Mut und Kreativität erforderte. Wie er seinen eigenen Weg fand, erzählte er uns bei einem persönlichen Gespräch.
F: Was hast du vor deiner Neuausrichtung beruflich gemacht?
A: Als Maschinenbauingenieur und Betriebswirt habe ich etwa 24 Jahre in mittelständischen Firmen gearbeitet. Nach meiner Anfangszeit als Konstrukteur bin ich schnell in Führungspositionen aufgestiegen. Hier hatte ich dann zeitweise bis zu 235 Mitarbeiter zu führen. Mein Hauptinteresse galt immer schon der Technik, mit fortschreitender Zeit rückte das Thema Personal immer mehr in den Fokus.
F: Wie gestaltete sich dein Einstieg in diesem Verantwortungsbereich?
A: Natürlich hatte ich den Umgang mit Personal nicht erlernt. Doch mit einer guten Strategie konnte ich die wirtschaftlichen Ziele erreichen, die Mitarbeiter sammeln und langfristig ans Unternehmen binden. Ich belegte Seminare für Führungskräfte, Rhetorikkurse, Lean-Management, Management by Objectives, heute KPIs, agile Arbeitsformen, Scrums und weitere Kurse.
F: Es ging also immer steil bergauf, wie man so schön sagt?
A: Nein, nicht wirklich. Die Zusammenarbeit und Effektivität der Teams waren nie ideal. Ich wechselte den Arbeitgeber. Doch auch dort lief es nicht gut. „Sie können nicht jede Schraube selbst anziehen”, sagte damals ein 62-jähriger Montage-Vorarbeiter zu mir und öffnete mir schlagartig die Augen. Mir wurde klar, dass Führen mit Delegieren nicht nur stark verwoben ist, sondern dass das Delegieren eine wichtige Grundlage des Führens darstellt. Gutes Führen bedingt das Loslassen können und noch so viel mehr. Dazu gehört auch Vertrauen zu seinen beruflichen Mitmenschen zu haben. Auch muss man akzeptieren können, wenn eine Leistung nicht so erbracht wird, wie man sie selbst erledigt hätte. Hier bildet sich ein Dreieck aus Loslassen, Vertrauen in die andere Person und aus dem Erfüllen eines Auftrages.Es ernüchterte mich, dass gerade in den Führungsetagen der Unternehmen so häufig genau dieses weitsichtige Führen wenig erkannt und häufig überhaupt nicht umgesetzt wurde. Darin sehe ich aber einen ganz wichtigen Schlüssel zum Erfolg einer Firma.
„Gutes Führen bedingt das loslassen können, aber noch so viel mehr.“
Kai-Uwe Pook
„Schließlich begann ich auf den Tipp eines Freundes hin eine Initiativbewerbung gezielt an eine Headhunterin zu verschicken. Das sollte sich auszahlen.“
Kai-Uwe Pook
F: Wie kam es dann für ich zur beruflichen Wende?
A: Ich hatte gerade das fünfte Jahr im damals aktuellen Unternehmen absolviert, war inzwischen 53 Jahre jung, zuständig für Konstruktion, Produktion und Logistik. Ich hatte Prokura, sehr viel Erfolg bei der Umsetzung neuer Projekte, konnte richtig investieren und neue Maßstäbe für die Branche setzen. Das alles hat nur funktioniert, weil ich mir Respekt und Vertrauen und einen riesigen Zuspruch bei Gesellschaftern, Kunden, Lieferanten und vor allem bei fast 97 Prozent meiner 144 MitarbeiterInnen erworben habe. Und das als Westfale in Oberbayern, darauf bin ich sehr stolz und sehr dankbar. Nur einer konnte diesen Erfolg nicht teilen, mein damaliger direkter Vorgesetzter. Und somit nahm das Unheil seinen Lauf. Kurz nach Jahresbeginn 2020 trennten sich unsere Wege. Wir einigten uns und dann begann das „Inverse Headhunting“, „Outplacement“ und so weiter. Mit 54 Jahren war mir klar, dass die Situation nicht einfach sein würde, nochmal durchzustarten. Die Krise in der Automobilbranche nahm gerade an Fahrt auf und dann kam auch noch das Virus aus Wuhan. Ich bewarb mich bei mehreren Unternehmen. Die Pandemie war nahezu immer der Grund für Absagen. Schließlich begann ich auf den Tipp eines Freundes hin, eine Initiativbewerbung gezielt an eine Headhunterin zu verschicken. Das sollte sich auszahlen.
F: Wie war Dein Entscheidungsfindungsprozess? Hattest Du von Beginn an die Richtung klar vor Augen? Deine Selbständigkeit?
A: Nein, wohin die Reise beruflich gehen sollte, war mir nicht wirklich klar. Aber es sollte sich rasch entwickeln. Die dritte Bewerbung, bei der o. g. Headhunterin, hatte Erfolg. Die Dame kam ziemlich schnell auf den Punkt. Sie wollte ihr eigenes Portfolio erweitern und aus der klassischen Personalvermittlung eine Unternehmensberatung mit den klassischen Bereichen Interim Management,
Personalentwicklung, Personalvermittlung für Führungskräfte, Nachfolgeplanung für Unternehmen und Beratung für Produktion, Konstruktion, Controlling, Finanzwesen und Logistik machen. Ich war sehr interessiert an dieser Aufgabe. Die Eigentümerin wollte zudem in naher Zukunft in Pension gehen. Zeitgleich zu der Neuausrichtung sollte also auch der Generationswechsel eingeläutet werden. Eine doppelte Herausforderung für alle Beteiligten. Und ich mittendrin. Als Übergabe-Kandidat.
F: Wie verlief dieser Prozess, die Zeit seit März 2020? Was sind die größten Herausforderungen?
A: Nun, ich bin ja erst Ende Mai aus dem alten Unternehmen ausgeschieden. Habe lange Spaziergänge mit unserem Hund gemacht und viel nachgedacht. Eines war mir aber sofort klar: Jammern bringt nichts und was passiert ist, ist passiert. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil, ich würde alles wieder genauso machen wie zuvor. Parallel spielte auch die Familie eine nicht unwesentliche Rolle. Meine Tochter stand kurz vor dem Abitur, der Papa musste einen Monat zur Agentur für Arbeit und bekam sehr schnell Unterstützung im Rahmen des Gründungszuschusses und eines Gründungscoachings. Das alles mitten im totalen Lockdown. Die Realität nach den Spaziergängen bestand u. a. darin, die richtigen Formulare der Agentur für Arbeit zu bekommen, diese richtig auszufüllen, fristgerecht abzugeben oder abzuschicken. Denn die Agenturen waren ja wegen Corona geschlossen. Man musste also erstmal Geduld erlernen. Aber ich hatte sehr motivierte, hilfsbereite und freundliche BeraterInnen. Das Gründungscoaching hat dann richtig Spaß gemacht! Der Trainer hatte schon eine Selbständigkeit hinter sich und kannte so ziemlich alle fiesen Tricks, mit denen man bei einer Neugründung ausgespielt werden könnte. In einem waren wir uns immer einig: Wir mit über fünfzig sind diejenigen, die wissen, wie man Probleme vermeidet oder löst. Wir haben Erfahrung und auch die Kaltschnäuzigkeit, sind eigentlich erst gerade in der Blüte unseres Lebens angekommen. Also Vollgas!
F: Und wie wurde es dann konkreter mit der Übernahme?
A: Das war ein intensiver Prozess. Es gab viele Treffen mit der Inhaberin und potenziellen Kandidaten für die Übernahme. Abstimmen, Aufbau eines Businessplans, Treffen mit dem Steuerberater, Kaufpreisermittlung der zu übernehmenden Firma, Kennenlernen der Hausbank, Notarverträge, Gesellschafterverträge, Geschäftsführerverträge, Mietvertrag, Gewerbeanmeldung, diverse Fristen einhalten, zwischendurch Gründungscoaching, Abstimmung und Aufgabenzuordnung, Auslese der neuen Inhaber, Kaufvertrag, Anwaltstermine und alles unter Corona-Bedingungen. Weiter mussten eine eigene Homepage aufgebaut und eine neue EDV-Infrastruktur angeschafft werden. Am ersten Juli 2020 war es dann soweit. Die Firma war gegründet, der erste offizielle Tag in der eigenen Firma am eigenen Schreibtisch. Ein unglaubliches Gefühl. Jetzt haben wir Februar 2021 und die Dinge haben ihren Lauf genommen. Kunden wurden akquiriert, Aufträge übernommen, Beratungen werden durchgeführt.