Mehl ist nicht gleich Mehl
Die Qualitätsunterschiede
Bio-Mehl stammt aus einer Landwirtschaft, die ohne Kunstdünger und ohne chemische Pflanzenschutzmittel auskommt. Für die meisten Bio-Kunden ist dies Motivation genug, zu ökologischen Mahlerzeugnissen zu greifen. Die Merkmale eines Mehls in Demeter-Qualität1 gehen jedoch weit darüber hinaus. Und auch zwischen verschiedenen Bio-Mehlen gibt es daneben erhebliche Qualitätsunterschiede.
Ursprünglich lagen die entscheidenden Stellschrauben für die Herstellung eines guten Brotes in der Handwerkskunst der Müller und der Bäcker.
Wie gut ein Mehl ist, zeigt sich in erster Linie am Ergebnis: An den daraus hergestellten Backwaren. Deren Qualität bemisst sich vor allem an der Teigstruktur und der Konsistenz der Kruste. Brot, Brötchen, Kuchen und anderes Gebäck sollen schön locker sein und eine knusprige Kruste haben. Für die Wirkung der Lockerungsmittel, die der Bäcker dazu einsetzt, spielt die Mehlqualität eine wichtige Rolle. Mikroorganismen aus der Hefe oder dem Sauerteig wandeln die Stärke im Mehl in Gase um, wodurch sich die Poren bilden. Das so genannte Klebereiweiß (= Gluten) sorgt dafür, dass diese Poren auch nach dem Backvorgang erhalten bleiben. Das Ergebnis der Sauerteigführung hängt entscheidend von den Fähigkeiten des Bäckers ab – jedoch wird dieses auch
von der Zusammensetzung des Mehls beeinflusst. Damit im Teig ausreichend Gasblasen gebildet werden, muss in diesem genug Stärke vorhanden sein. Wird der Teig beim Backen über 55° C erhitzt, sterben die gasbildenden Mikroorganismen ab. Nun ist das Gashaltevermögen des Teiges gefragt. Dieses
hängt maßgeblich von der Menge und der Elastizität des Feuchtklebers ab: Ist der Kleber zu dehnbar, neigt ein Teig dazu „davonzulaufen“, ist der Kleber zu „bockig“, setzt er dem Gasdruck einen zu hohen Widerstand entgegen.
Ursprünglich lagen die entscheidenden Stellschrauben für die Herstellung eines guten Brotes in der Handwerkskunst der Müller und der Bäcker. Heute
sorgen – zum Teil auch im Bio-Bereich zugelassene – Hilfsmittel dafür, dass die oben genannten Prozesse einfacher, schneller und preisgünstiger ablaufen können.
Hilfsmittel in der konventionellen Müllerei und Bäckerei
Der Katalog eines großen deutschen Herstellers von Mühlenchemie umfasst über fünfhundert Mehlverbesserungsmittel. Hierzu gehören unter anderem
Enzyme wie Amylasen für mehr Gebäckvolumen und bessere Bräunung, Oxidasen für die Teigtrocknung und Teigstabilität sowie Proteasen für elastische Teige. Hinzu kommen Emulgatoren, Säureregulatoren und Cysteine für die Teigerweichung.
„Mit Mühlenchemie können Ernteschäden kompensiert, Weizenmischungen optimiert und unterschiedliche Qualitäten ausgeglichen werden“, lautet die Werbebotschaft des Weltmarktführers für Mehlbehandlung. Die meisten der oben aufgeführten Behandlungsmittel müssen auf dem Endprodukt nicht deklariert werden, da sie bereits dem Rohstoff Mehl beigemischt werden und nicht als Backzutat gelten.
Zusätze im Mehl sind auch im Bio-Bereich nicht völlig ausgeschlossen. So verwenden insbesondere die großen konventionellen Mühlen, die parallel
eine kleine Bio-Linie anbieten, Zusätze wie beispielsweise synthetische Ascorbinsäure, Calciumdihydrogenphosphat oder Magnesiumcarbonat. Mit Ascorbinsäure lassen sich sehr einfach Gebäckvolumen und Teigstabilität steigern, sodass sie lange Jahre als selbstverständliche Zutat im Mehl galt. Auch existieren einige Enzyme, die in Backhilfsmitteln im Bio-Bereich erlaubt sind.
Mehle in Demeter-Qualität ohne Hilfs- und Zusatzstoffe
Alle oben genannten Möglichkeiten zur Verbesserung der Mehlqualität sind für Demeter-Verarbeiter nicht zugelassen. Aus diesem Grund finden sich in keinem Mehl aus Demeter-Mühlen Zusatz- oder Hilfsstoffe. Damit die Kunden im privaten Bereich ebenso wie im Bäckerhandwerk dennoch gute Backergebnisse erzielen können, greifen die Mühlen zu verschiedenen Maßnahmen.
Dies beginnt zuallererst bei der Auswahl der Rohstoffe. So wird ausschließlich samenfestes Saatgut verwendet und meist schon bevor das Getreide in der
Mühle angeliefert wird, werden zum ersten Mal die Qualitätsparameter analysiert. Durch eine geschickte Kombination verschiedener Qualitäten und die Steuerung der Anlieferung dieser Getreidepartien sorgt der Einkauf dafür, dass stets der passende Rohstoff in den Silos der Mühle lagert. Ernteschäden können so zwar nur zum Teil kompensiert werden. Weizen und Dinkel mit schlechteren Backeigenschaften eignen sich aber immer noch für die Flockenherstellung. Auch bei sorgfältiger Rohstoffauswahl kommt dem Fingerspitzengefühl und der Erfahrung des Müllers eine hohe Bedeutung zu. An der Regelung der zahllosen Prozesse und dem sensiblen Mischen der Typenmehle aus den insgesamt rund 32 Passagenmehlen zeigt sich die wahre Müllerskunst.
Auch bei dem Thema Mehl zeigt sich, dass man etwas genauer hinsehen sollte und vielleicht mal bei seinem Lieblingsbäcker nachfragt, welche Mehle Verwendung finden. (tl)